Mehr als alle anderen Tiere vermochten Vögel uns Menschen seit jeher zu faszinieren. Vielleicht, weil sie etwas können, was wir nicht können, aber fast jeder sich wünscht: Fliegen. Und obwohl wir wenig gemeinsam haben mit diesen gefiederten Freunden, verbindet uns doch mehr mit ihnen, als mit der übrigen Tierwelt: Wie wir bestreiten auch sie ihr Leben auf zwei Beinen.
Im Gegensatz zur Schweizer Vogelwelt bietet Äthiopien eine ungleich grössere Vielfalt an Vögeln, welche ich auf einer ilanga-Reise im Januar gemeinsam mit ein paar Gleichgesinnten entdecken durfte: An vier aufeinanderfolgenden Tagen haben wir täglich zwanzig bis dreissig neue Arten erspäht! Als leidenschaftlicher «Birder» hatten wir dafür natürlich einen Vogelatlas zur Hand, sodass wir die Vögel nicht nur fotografieren – «sammeln» –, sondern auch identifizieren, also «jagen» konnten: Die Freude daran ist eng verwandt mit der Leidenschaft der Kinder zur Fussball-WM-Zeit, wenn sie Sticker fürs Panini-Album sammeln, sich über jeden «neuen Fang» freuen, stets mit dem Ehrgeiz und Ziel, das Album möglichst komplett zu kriegen.
Für einen kleinen Einblick in diese faszinierende Welt der gefiederten Freunde stelle ich hier nun vier besondere Vertreter aus der wundersamen Vogelwelt des weit entfernten Landes vor:
Der Cordon-Bleu Vogel ist ganz bestimmt der Vogel mit dem lustigsten Namen. Er hat tatsächlich keinerlei Ähnlichkeit mit seinem Namensvetter aus der Küche: Weder flach noch paniert, sieht er viel eher aus wie eine mittelalterliche kleine Diva, mit einem Hauch Bürgerlichkeit und etwas zu üppigen Make-Up: In gut abgetöntem, strahlend-zartem Türkis-Blau kleidet er sich vornehmlich (daher «Bleu»), aristokratisch abgetönt mit weichem Graubraun und einem gewagten, verführerisch tiefroten Wangenfleck, der zu seinem adretten blauen Kleidchen einen ganz wunderschönen Kontrast macht.
Der Glanzstar verrät einen Teil seines Geheimnisses mit seinem Namen: Dieser lustige Vogel sieht aus wie – nein, er ist eben schlicht unvergleichlich. Unsere Elster hat nur ein paar einzelne Federn, die so glänzen wie beim Glanzstar das ganze Gefieder vom Kopf bis zur Schwanzspitze. Der Kiebitz hat ein wenig von demselben metallischen Glanz, aber nie in dieser prächtigen Farbe. Und sein Verwandter, unser «normale» Star, sieht aus wie ein zweitklassiges Plagiat seines äthiopischen Cousins. Denn der Glanzstar schillert intensiv und rundum in einem unirdischen Blau, dass sich je nach Lichteinwirkung in Grün umschlägt. Unwirklich. Unfassbar. Super. Dazu ist er schlank und rank, elegant, agil und beäugt mit seinen starren knallgelben Augen interessiert, durchdringend und neugierig seine Beobachter hinter dem Fernglas oder der Fotolinse.
Der Niltal-Nektarvogel (Nile Valley Sunbird) ist schlicht eine Vollendung aus Farbe und Form. Wie von einem guten Künstler zur Freude des menschlichen Auges geschaffen, trumpft der kleine Vogel mit einem intensiv gelben Bauch auf, das Kehlchen mit einem herrlich blau glänzenden Kragen geschmückt und sein Kopf leuchtet in der Kombination daraus in metallischem Grün. Seine Rückenline setzt beim fein geschwungenen Schnabel an, zieht über das leicht abgeflachte Köpfchen über den Rumpf und schliesst am Ende des Rückens mit zwei lang ausgezogenen, elegant gegabelten Schwanzfedern ab. Die ganze Erscheinung mit diesen illustren, sonnigen Farben lässt einen die Wärme Afrikas spüren, die Romantik der Natur, die Komposition der Schöpfung. Die Energie und Schönheit dieses kleinen Vogels, der voller Dynamik emsig im riesigen Dornbusch herumturnt, um sich an jeder kleinen Blüte seinen Drink zu genehmigen, lässt einen verträumt innehalten und staunen.
Der Karminrote Bienenfresser ist ein weiterer unglaublicher Farbklecks im Vogelatlas: Er weckt den Jagdinstinkt des «Birders» und lässt das Herz höherschlagen. Praktischerweise ist er weder selten noch irgendwie bedroht, sondern häufig anzutreffen. Obendrein vergesellschaftet er sich, gewieft wie er ist, gerne mit grossen langbeinigen Kollegen, die einen Teil seiner Arbeit übernehmen: Wenn Storch, Hornvogel oder Trappvogel durch Felder oder Savanne schreiten, schrecken sie die kleine Insekten auf, denen der Karminrote Bienenfresser auflauert. Für den weit angereisten Fotografen ist dies dann natürlich doppelt attraktiv, wenn zum Beispiel der grosse, blau geschminkte Abdim-Storch von diesem kleinen, schnittigen, rotleuchtenden Insektenjäger umkreist wird, der einem Mini-Kampfjetpiloten gleich auf schmalen Flügeln ein ums andere gewagte Flugmanöver fliegt. Und wie es sich gehört, trägt er dazu eine schwarze Augenmaske, aus der die roten Augen aufblitzen, sowie einen glänzenden türkisfarbenen «Helm».
Während dem dreiwöchigen Aufenthalt sind uns insgesamt rund 290 verschiedene Arten begegnet. Dabei waren wir nur fünf Tage effektiv auf gezielter Vogelbeobachtungs-Tour mit einem professionellen Guide, der uns jedoch mit seinem geübten Auge und grossen Erfahrung allein in dieser Zeit etwa 150 Arten zeigen konnte. Zum Vergleich: In der Schweiz gibt es inklusiver sämtlicher seltener Irrgäste und Durchzügler insgesamt zirka 420 Vogelarten, am Horn von Afrika hingegen gegen 800!
smo